Warum Gender-Sternchen und Binnen-I erst noch in meinen Kopf einmarschieren müssen
Seit ich denken kann, heißt es Kunden, Leser, Gäste, Patienten…
Und auch in meiner Schulzeit, „liebe Leser“, war der Plural einfach nur der Plural. Ist es in deinem Kopf nicht auch normal, dass du dich angesprochen fühlst, wenn da „Kunden“ steht, egal ob du Mann oder Frau bist?
Für mich als Frau war das normal, denn ich kannte es nicht anders. Mit Kunden waren auch Kundinnen gemeint, mit Gästen auch Gästinnen und mit Patienten auch Patientinnen. Ich habe mich da nie ausgeschlossen gefühlt. Anders als bei dem Wort „man“, das wirklich wie „Mann“ klingt und heutzutage manchmal mit „frau“ ergänzt wird. Da verstehe ich diese Gleichberechtigung der Geschlechter noch eher.
Von Artikeln und dem Lesefluss
Was aber ist mit den Geschlechtern der Wörter? Kunde ist eben männlich, meint aber natürlich Frauen wie Männer. Ein logischer Schritt wäre, den Artikel „die“ hinzuzufügen, was die Vorstufe zur Erfindung der weiblichen Bezeichnungen war. „Der/die Kunde“ wird zu „der/die Kunde/Kundin“ oder „der*die Kund*in“. Puh, da ist ein Kopf-Zerbrecher vorprogrammiert. Schließlich stoppt das meinen heißgeliebten Lesefluss. Ach, manchmal beneide ich wirklich die Menschen, die Englisch schreiben und sprechen. (nur ein Artikel: the) Ich glaube, die brauchen keine geschlechtergerechte Sprache…
Ich denke, abgesehen von den Stopptafeln, die das Gender-Sternchen oder das Binnen-I im Lesefluss aufstellen, geht es Befürworterinnen vielmehr um die Präsenz von Weiblichkeit und Frauen in der Sprache. Wir stellen das bereits in unseren Köpfen existierende Gleichgewicht zwischen männlicher und weiblicher Präsenz in der Kommunikation her. Besonders, wenn es um Personenbezeichnungen geht, wie Berufe oder auch in Gesetzestexten und Verträgen.
Wir stellen das bereits in unseren Köpfen existierende Gleichgewicht zwischen männlicher und weiblicher Präsenz in der Kommunikation her.
Was über Jahrhunderte von europäischen Philosophen, Herrschern und Politikern – ob beabsichtigt oder nicht – geschaffen wurde, sind sprachliche Phänomene, die die Frauen weitestgehend ausschließen. Das lag sicherlich auch daran, dass Frauen nicht so „wichtige und hohe“ Positionen oder Rollen hatten. Denn es wurde ihnen verboten. Geschlechterstereotype und Rollenbilder sind „out“, und ebenso entwickelt sich durch die Bildung neuer Geschlechtsidentitäten ein modernes Verständnis von Identität, Geschlecht sowie die Frage nach deren gesellschaftlicher Wichtigkeit.
Für mich ist jedenfalls klar: Es fühlt sich gut an, als Kundin, Patientin oder Leserin angesprochen zu werden. Und ich bin ziemlich sicher, dass es den Männern auffallen würde, wenn nur noch die weiblichen Bezeichnungen verwendet würden.
Es ist eben reine Gewohnheitssache, und wie so oft bei Gewohnheiten bemerken wir unsere eigene Engstirnigkeit erst, wenn jemand / jefrau sie hinterfragt.
Was sagt ihr zu dem Thema „gendern“ und geschlechtergerechte Sprache? Fühlt ihr euch so oder so angesprochen, oder besteht ihr auf eine regelrechte Neuauflage aller „alten, patriarchalen“ Texte? Ich freue mich über einen Kommentar oder eine persönliche Nachricht von dir.